top of page
Anna Reiterer

Resilienz im Hundetraining

Aktualisiert: 2. Nov. 2021


WAS IST RESILIENZ:

Als Resilienz wird die psychische Widerstandsfähigkeit beschrieben, belastende und krisenhafte Situationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Die zu bewältigenden Situationen können dabei von Unsicherheiten bis hin zu traumatischen Ereignissen reichen.

Resilienz kann nicht als Persönlichkeitsmerkmal bezeichnet werden, sondern ist ein veränderlicher temporärer Zustand im Entwicklungsprozess eines Individuums. Das bedeutet, dass sie sowohl gestärkt und gefördert aber bei ungünstigen Bedingungen auch wieder abgebaut werden kann.



KENNZEICHEN VON RESILIENZ:

Die Kennzeichen resilienter Individuen sind Ich-Stärke, ein positives Selbstwertgefühl, angemessene Problemlösefähigkeiten, positive und stabile Bindungen zu Bezugspersonen und eine klare Wertorientierung (Petermann, 2002). Vor allem eine verlässliche und dauerhafte Beziehung zu einer liebevollen Bezugsperson schafft einen Raum, in dem Resilienz aufgebaut werden kann. Denn durch die Orientierung an der Bezugsperson und deren Hilfestellung in kritischen Situationen, fühlt sich der:die Betroffene sicher und entwickelt Strategien und auch Zuversicht für die Bewältigung ähnlicher zukünftiger Ereignisse. Somit kann Vertrauen in eigene Fähigkeiten aufgebaut werden. Wie schon erwähnt, ist die erworbene Resilienz aber kein stabiler Zustand und muss somit laufend weiter gestärkt werden. Deshalb ist es wichtig, einen Rahmen zu schaffen, in dem man sich auch ausprobieren kann.


Diese ganzen Informationen über den Begriff Resilienz stammen aus dem Buch "Heil- und Sonderpädagogik - Inklusive Pädagogik" von Dr. Fred Bernitzke und Mag. Anita Tupi (2021) und beziehen sich somit auf Kinder und Jugendliche. Jedoch kann man all dies genauso auf unsere Hunde beziehen.




RESILIENZ IM HUNDETRAINING:

Der Begriff Resilienz wird im Hundetraining oft im Zusammenhang mit kleinschrittigem, rein positivem Training verwendet, bei dem man dem Hund Schritt für Schritt antrainiert, was er in welchen Situationen zu tun hat. Zum Beispiel, kann man dem Hund bei Hundebegegnungen antrainieren, dass er den:die Besitzer:in ansehen soll. Dies passiert meist durch Konditionierung und der Hund bekommt für jeden Blick zum Besitzer ein Leckerli. Somit trainiert man dem Hund eine gewünschte Lösungsstrategie an.


Meiner Meinung nach ist das aber genau das, was man bei der Stärkung von Resilienz nicht machen soll. Denn es geht ja eigentlich darum, dem Hund einen Rahmen zu schaffen in dem er selbst eine Lösungsstrategie entwickeln kann. Wir als Hundehalter:innen schaffen dafür die sichere Umgebung und bestätigen vom Hund selbst entdeckte und in unseren Augen gute Lösungen. Wir geben also Feedback, zu den Entscheidungen, die unser Vierbeiner trifft, was er genau macht, ist aber nicht so bedeutsam für uns.



WAS BEDEUTET DAS FÜR DIE PRAXIS:

In dem Beispiel der Hundebegegnungen ist es uns egal, ob der Hund Gras frisst, sich hinsetzt, schnüffelt, hinter uns geht oder neben uns geht. Es ist wichtig, dass er den anderen Hund nicht anpöbelt, fixiert, hinspringt oder an der Leine zieht, usw. Im nächsten Schritt, wenn der Hund einmal ein angemessenes Verhalten zeigt, kann dieses immer noch modifiziert werden. So schaffen wir Grenzen eines Raumes, innerhalb dessen der Hund viele Möglichkeiten hat sich zu bewegen. Wir zwingen unseren Vierbeinern keine Lösungsstrategien auf, sondern teilen ihnen mit, was ok ist und was nicht. Somit ist es viel wahrscheinlicher, dass sie auch in neuen Situationen oder Situationen, wo wir als enge Bezugsperson, nicht in unmittelbarer Nähe sind, angemessen und selbstsicher agieren können.


Klar geht das nicht in jeder Situation und mit jedem Hund. Manche Situationen sind einfach noch zu schwierig, dann bitte bei einfacheren beginnen. Die als Beispiel genannten Hundebegegnungen sind bei den meisten Hunden sicher nicht für den Einstieg gedacht, sondern eher schon die Königsdisziplin - vor allem dann wenn dein Hund andere Hunde anpöbelt.


Meine Hündin Luana und ich haben mit Begegnungen mit Menschen gestartet, denn damit hat sie überhaupt keine Schwierigkeiten. Anstatt ihr ein "zu mir"-Kommando zu geben oder die Leine kurz zu nehmen, habe ich sie selbst entscheiden lassen. Dabei habe ich kommentiert, was erlaubt ist und was nicht. Sie hat ganz schnell gelernt, dass hinlaufen nicht erlaubt ist, aber solange man ausweicht, viele Möglichkeiten (schnüffeln, hinter mir gehen, neben mir gehen, hinsetzen, etc.) angemessen sind. All diese Verhaltensweisen habe ich gelobt und man hat den stolzen Blick in Luanas Augen gesehen.


Man kann auch mit ganz anderen Situationen starten, seid da kreativ und probiert auch ein bisschen aus. Wichtig ist, dass ihr euch sicher fühlt, also wählt bitte Situationen, in denen ihr euerem Hund schon soweit vertrauen könnt, dass nichts passieren kann. Vorsicht ist immer besser als Nachsicht, es spricht nichts dagegen den Hund mit Maulkorb und (Schlepp-)Leine abzusichern. Ganz im Gegenteil, es macht euch zu verantwortungsbewussten Hundehalter:innen :)



QUELLEN:

Petermann, Franz. (2002). Grundbegriffe und Trends der klinischen Kinderpsychologie und Kinderpsychotherapie. In: Lehrbuch der klinischen Kinderpsychologie und -psychotherapie. 5 Auflage. Göttingen: Hogrefe Verlag.

Bernitzke, Fred & Tupi, Anita. (2021). Heil- und Sonderpädagogik - Inklusive Pädagogik. Wien: Verlag Jugend & Volk GmbH




35 Ansichten0 Kommentare

Comments


bottom of page